Das Bundesumweltministerium plant ein Verbot von Plastiktüten. Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen nimmt dazu Stellung.

„Leider verläuft die Auseinandersetzung mit Kunststofftragetaschen seit Jahren weitgehend oberflächlich und wenig an Fakten orientiert“, so IK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Bruder.

Dr. Jürgen Bruder IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen
Bild: Dr. Jürgen Bruder, Quelle: IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen

 

Wir haben uns mit einigen Statements beschäftigt und wollen einige Aussagen von Herrn Dr. Bruder kommentieren.

„Vielmehr werden Tragetaschen und Beutel aus Kunststoff als sichtbares Symbol der Wegwerfgesellschaft betrachtet und politisch bekämpft.“

Das sind sie auch. Plastiktaschen sind ein Symbol; und Produkte wie Plastiktrinkhalme, Plastikbesteck, Zahnbürsten, Coffee-to-go Becher, Kaugummi und andere Dinge reihen sich hier ebenfalls ein. Ihre Gesamtmenge – verglichen mit anderen Plastikprodukten – ist eher gering.
Der Symbolcharakter kommt nicht von ungefähr; diese Produkte sind milliardenfach in unserem täglichen Leben, seit vielen Jahrzehnten. Jeder kennt und nutzt(e) sie, und das eine ganze Zeit lang relativ sorglos. Aber erst in den letzten Jahren ist mehr und mehr bekannt geworden, wie unsere Recycling-Quoten wirklich aussehen, was mit dem Müll tatsächlich passiert, wo er oft landet und welche nachteilhaften Auswirkungen das auf die Umwelt hat.

Die Tragetasche aus nicht-abbaubarem Plastik war schon immer überflüssig; aber erst jetzt verstehen die Menschen das. Und es ist vergleichsweise einfach, sie zu verbieten; das ist wichtig, denn: die meisten Menschen würden es viel lieber sehen, wenn andere Produkte verändert würden. Aber dagegen sind sie – und zuweilen vielleicht auch die Politik – machtlos. Noch. Das nächste Symbol wird jedoch folgen: und es wird größer werden.

„Dabei schneidet die Plastiktüte ökobilanziell sehr gut ab, vor allem die Variante aus Recyclingmaterial.“

Eine Bilanz ist ein Vergleich von Zahlen und ebenso wie bei jeder unternehmerischen Bilanz ist entscheidend, welche Kategorien, Positionen, Zeiträume, etc. bei der Berechnung einbezogen werden und wie. Es ist unstrittig, dass bei dem gegenwärtigen Schema der Ökobilanzierung von Plastiktüten im Vergleich ein guter Wert erzielt werden kann. Die Herstellung ist einfach unschlagbar günstig und effizient. Kein Wunder, da sind ja auch jahrzehntelange Entwicklung und Optimierung reingeflossen. Verändern sich jedoch Variablen oder kommen welche hinzu, lässt sich eine ganz andere Rechnung aufstellen (bspw. das Hinzufügen des Littering Potential Indicator (LP), der die meisten traditionellen Ökobilanzen (LCA) beinahe umdreht).
Das Argument der Ökobilanz ist also nur solange ein gutes, wie man den Bilanzierungsrahmen oder die Faktoren nicht ändert.

„Darüber hinaus werden Plastiktüten nach oftmals mehrmaligem Gebrauch als Müllbeutel verwendet.“

Genau! Und dafür ist das Material viel zu schade, und dessen Wertschöpfung mit ca. 20-25 Minuten durchschnittlicher Nutzungszeit viel zu gering. Der Plastiktüte wird eine Recyclingquote von ca. 7% nachgesagt; auch nicht gerade vorbildlich.

„Wenn die Tüten in Deutschland in die Umwelt gelangen, dann weil Verbraucher sie nicht ordnungsgemäß entsorgen.“

Das ist schon wahr, aber wie es schon in der Straßenverkehrsordnung steht: Es erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Menschen machen Fehler. Damit sollte die Industrie ebenso rechnen, wie Verbraucher*innen versuchen sollten, Fehler zu vermeiden.
Vielleicht sind es nicht einmal die Deutschen bzw. Europäer, die hier ein Problem haben. Aber wenn wir als eine der führenden Industrienationen nicht in der Lage sind, die Stoffe, die Kreisläufe, den Müll und seine Entsorgung in den Griff zu kriegen und Vorbild zu sein, wie wollen wir das dann von anderen erwarten, die ggf. noch viel mehr Umweltverschmutzung verursachen.

„Erheben wir doch eine Geldstrafe von 1.000 Euro für das Wegwerfen von Abfällen.“

Eine schöne Idee und sicher gilt die dann auch für die giftigen Schlacken, die nach der Plastikverbrennung entstehen und derzeit mit erheblichem Aufwand und Risiko für Folgegenerationen endgelagert werden müssen.

„Einwegkunststoffe durch andere Einwegmaterialien zu ersetzen ist nicht zielführend.“

Einwegmaterialien sind grundsätzlich ein Problem, wir werden uns aber von ihnen nicht von heute auf morgen verabschieden können. Wichtig ist, dass man der Betrachtung immer noch hinzufügen sollte, dass es der Öffentlichkeit primär um nicht-abbaubare bzw. schädliche Kunststoffe geht, die in der Hauptkritik stehen. Es wäre zwar noch nicht die ideale Lösung, aber immerhin ein enormer Fortschritt, wenn die Kunststoffindustrie endlich biologische Alternativen entwickeln würde, die die herkömmlichen nicht-abbaubaren Stoffe – egal ob bio- oder petrobasiert – ersetzen würden. Stattdessen überlassen die Großen das den kleinen Startups, die sie dann anschließend auch noch schlechtreden.

„Wir erwarten daher von der Politik eine faktenbasierte und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit Verpackungen und Tragetaschen jeglicher Art, um das Ziel des verbesserten Umwelt- und Klimaschutzes wirklich zu erreichen […]“

Entschuldigung, aber: Genau das erwarten wir eigentlich seit Jahren von der Industrie. Die Zahlen sind ja nun wirklich nicht neu.

„Plastikbashing war gestern.“

Zwei Dinge dazu: Erstens würde das in diesem Zusammenhang auch für Verbraucher*innenbashing und Politiker*innenbashing gelten. Wir denken das aber eher so: Das Plastikbashing hat gerade erst angefangen und die Industrie sollte das „laue Lüftchen“, das die Plastiktüten nun auslösen, als Sturmwarnung verstehen und jetzt die richtigen Investitionen vornehmen.

„Mit Blick auf die überaus erfolgreiche Selbstregulierung im Handel, die die europäischen Ziele schon heute übererfüllt, ist ein gesetzliches Verbot nicht erforderlich und zudem ein enttäuschender Vertrauensbruch.“

Das Angebot der Selbstregulierung erfolgte auf Druck der EU als Alternative zu gesetzlichen Lösungen. Es ist richtig, dass auch mit der freiwilligen Regulierung Erfolge erzielt werden konnten. Aber während das vor allem für Plastiktüten gelten mag, erleben wir in anderen Bereichen eine wahre Explosion plastikbasierter Verpackungen, Folien und Gegenständen. Erweitert man den Horizont also über die Plastiktüten hinaus, darf die Selbstregulierung als gescheitert betrachtet werden. Auch einige der von Ihnen veröffentlichten Zahlen sprechen ggf. dafür, dass wir eher mehr Plastik im Tüten- und Säckebereich vorfinden, als weniger.

„Dass mit solch pauschalen Bewertungen eine ganze Industrie in Misskredit gebracht wird, […]“

Das ist das eigentliche Problem, um das es geht. Und obwohl der Eindruck entsteht, dass es der Industrie nur um den eigenen Ruf und die Märkte geht, ist da etwas Wahres dran.
Wir empfehlen, dieser Entwicklung mit Innovationen und Veränderungen zu begegnen, die wirklich nachhaltig und umweltfreundlich sind. Und das ist die Rolle, die wir uns für die europäischen Kunststoffindustrie wünschen: Global führend in der Erforschung und Produktion von problemlos abbaubaren High-tech Kunststoffen für Konsument*innen und Industrie.

Viel Zeit haben Sie nicht mehr; fangen Sie an. Da wären wir dabei.

Autor: Bernd Günter